Welche Dinge uns helfen, uns selbst zu erkennen und was dabei nicht hilfreich ist, wie wir uns von den nach außen gerichteten Sinnen und dem Intellekt lösen können - das ist ein Thema, in dem es um die Praxis geht. Das versteht man wirklich unter Spiritualität.
Sant Kirpal Singh

Gnade vergibt alles - 12. August 1974

Auszug aus einem Abendsatsang von Sant Kirpal Singh

Kirpal-Singh-1974Frage: Im Buch 'Gottmensch' habt Ihr einige Gesetze erwähnt, wie das Gesetz der Sympathie und das Gesetz von Be­darf und Versorgung, aber in erster Li­nie scheint Ihr von Gnade zu sprechen. Und ich dachte, vielleicht könntet Ihr noch erklären, wie Gnade alles aufhebt – die Gnade des Meisters.

Sant Kirpal Singh: Bitte wiederhole es noch ein­mal. Nicht hastig, dann wirst du es durch deine eigene Frage verstehen.

Frage: Würde es Euch etwas ausma­chen, darüber zu sprechen?

Sant Kirpal Singh (verschmitzt): Sicher macht es mir etwas aus, aber gut.

Frage: Die Bedeutung der Gnade ...

Sant Kirpal Singh: Weiter – was willst du wei­ter? Das könnte so vieles bedeuten.

Frage:... und wie sie alles andere auf­hebt, wie das Gesetz von Bedarf und Ver­sorgung, das Gesetz der Sympathie, das Gesetz des Karma.

Sant Kirpal Singh: Wenn du eine Mutter bist und dein kleines Kind Hilfe braucht, hilfst du. Es gibt niemanden, der sich um es küm­mert. In kalten Nächten schaut sie dar­auf, dass ihr Kind nicht friert. Sie gibt dem Kind ihre eigene Decke. So gibt Er euch zuerst zu essen und zu trinken, dann folgt vieles mehr, ohne dass ihr darum zu bit­ten braucht. Selbst mit all euren Bemühungen könnt ihr euch nicht einmal über das Körperbewußtsein erheben. Er kommt, um euch zu helfen. Ihr fragt euch, wie? Er gibt und Er will nichts dafür. Sei­ne Gnade kommt, und Er verlangt keine Gegenleistung; Er will nichts dafür. Ge­nauso wie Mütter barmherzig sind und Mitleid mit ihren Kindern haben, so ist es auch mit Meisters Liebe. Denkt Er nur ein klein wenig an euch, könnt ihr nicht anders als weinen, versteht ihr? Allein Sein Blick inspiriert. Wenn ihr jemanden seht, der sehr glücklich ist, sieht man es an den Augen; sie leuchten. Die ganze At­mosphäre wird geladen sein, nicht wahr? Gnade ist keine Sache von Gegenleistung. Denn wie ich euch gesagt habe ist Gna­de so wie eine Mutter–Kind–Beziehung. So bringt Er euch natürlich über das Ge­setz von "Wie du säst, so wirst du ern­ten." Kurze Zeit erhebt ihr euch über das Körperbewußtsein. Er erhebt euch über die Stufe von "Wie du säst, so wirst du ernten", auf der ihr euch befindet.

Gnade – was bedeutet also Gnade? Ich werde euch ein Beispiel aus dem Koran erzählen: Ein Mann verließ Haus und Heim und ging bereits in seiner Kindheit in den Dschungel. Es gab dort kein Was­ser und nichts zu essen. Gott sorgte vor, damit er seinen Durst löschen konnte, in­dem Er einen frischen Quell entspringen ließ, der nie versiegte. Der Mann trank von diesem Wasser, wusch sich darin und machte Bußübungen. Sein ganzes Leben verbrachte er auf diese Weise. Schließlich mußte er sterben. Er wurde vor Gott geführt. Dieser Mann achtete alle, hatte Haus und Heim verlassen und alle Ver­gnügungen und Verhaftungen etc. auf­gegeben. Gott sagte: "Gut, aus Gnade ver­geben wir dir." Er erwiderte: "Ich habe mich selbst abgetötet, verließ Haus und Heim. Ich lebte im Dschungel und habe alle Bußübungen ausgeführt, und bei all dem vergibst du mir aus Gnade? Ich soll­te den Ausgleich dafür erhalten, ich ha­be so viel getan." Gott sagte: "Gut, sage mir, was du getan hast, ich werde dir den Lohn dafür geben." Er schwieg. Zu schweigen bedeutet, halb zuzustimmen, nicht wahr? Gott sagte: "Gut, nun sieh –es gab im Umkreis von Meilen keine Quelle. So ließ ich eine Quelle für dich entspringen. Dann gab es dort einen Baum, der dir kostenlos einen ganzen, großen, voll ausgereiften Granatapfel schenkte. Das geschah nur für dich. Nimm das als Ausgleich für alle deine Bußübungen." Versteht ihr den wahren Sinn? Gerechtigkeit und Gnade sind zwei verschiedene Dinge, denkt daran. Ge­rechtigkeit und Gnade sind etwas Ver­schiedenes. Er sagte: "Gut, vergib mir, aus welchem Grund auch immer."

Habt ihr das Jap Ji gelesen? Im letz­ten Abschnitt spricht er (Guru Nanak) von denen, die ein reines Herz haben, die den Schlüssel besitzen, das Tor zu Gottes Kö­nigreich aufzuschließen – es sind die Rei­nen unter uns. Es läßt sich nicht erzwin­gen. Vergeßt eine Weile euch selbst – wie ein Baby. Ein Baby hat kein Ich. Wenn das innere Auge geöffnet ist, sind wir auf dieser Stufe. Wir sind nicht der Han­delnde, es gibt kein Ich. Es kommt von selbst. Er möchte gerne, dass jeder ein Kö­nig wird, aber es ist nicht so. Alle wei­nen schmerzlich danach. Ohne Gnade kann man nicht mit Gott in Einklang kommen. Es geht nicht durch eigene An­strengung, nur durch Gnade. Seht, die Yo­gis haben Hunderte von Jahren gebraucht, um den Körper zu verlassen, um die nied­rigen Chakras zu durchqueren. Hunder­te von Jahren! Ihr bekommt es am aller­ersten Tag. Ist das nicht Gnade? Niemand kann es selbst erreichen, vom Kommen und Gehen erlöst zu werden. Denn wie ihr denkt, so werdet ihr. Wenn ihr die Saa­ten sät, müßt ihr sie auch so lange ern­ten, bis Seine Gnade auf euch herab­kommt. Das bedeutet also Vergeben, Gnade und Barmherzigkeit. Der ge­wöhnliche Mensch entzündet ein Licht, das den Himmel erleuchtet, aber darun­ter ist Dunkelheit. Die Lampen brennen und verlöschen dann wieder, das Licht, das sie ausstrahlen, endet, und es herrscht wieder Dunkelheit. Ein Gesetz ist Ge­rechtigkeit und das andere Vergeben und Vergessen.

Einmal geschah folgendes in meinem Leben: Meine Frau sollte von einer ent­fernten Bahnstation kommen, und ich ging, um sie abzuholen. Sie war in einer großen Menschenmenge, und da ent­wendete ein Dieb ihre Geldbörse. Die Po­lizei ertappte den Mann auf frischer Tat. Entschuldigt – nun wollte der Polizist, dass ich auf der Wache Anzeige erstatte­te. Es wurde Anklage gegen ihn (den Dieb) erhoben. Ich sagte ihnen: "Es ist nur Geld, es ist in Ordnung, Gott verge­be ihm." – "Nein, nein, das soll auf­hören." Sie ließen ihn auf die Polizeiwache kommen, er musste mit meiner Frau hingehen. Ihr wißt, diese Diebe wer­den nicht anständig behandelt. Ich sag­te ihnen: "Ich muss in mein Büro, ich kann nicht hierbleiben." – "Schon gut, es wird nur 5,10 oder 15 Minuten dauern. Eine Viertelstunde verging, eine halbe Stunde, eine Stunde. Sie gingen zum zuständigen Oberinspektor. "Ich muss gehen, ich bin mitgekommen, weil Sie es wollten." Der Fall wurde zu Protokoll genommen. Sie versuchten gerade, ihn geständig zu ma­chen und schlugen ihn. "Ich habe es nicht getan, ich habe es nicht getan..." So kam der Fall vor Gericht. Ich war anwesend und der Polizist. Ich mußte daran teil­nehmen, meine Frau war nicht dabei, sie kam nie mit. Der Mann, der den Dieb­stahl begangen hatte, war da und ein Ver­wandter von ihm. Der Richter eröffnete die Verhandlung. Er fragte: "Was ist größer, Gerechtigkeit oder Gnade? Ist Ge­rechtigkeit größer oder Gnade?" Ich sag­te zu ihm: "Gnade ist größer. Es ist kei­ne Gerechtigkeit, die durch die Gesell­schaft ausgeführt wird." – "Nein, das stimmt nicht." – "Nein, entschuldigen Sie, es wird keine Gerechtigkeit geübt, was ich Ihnen sage, stimmt." Wenn Gna­de herabströmt, dann gibt es Vergeben. So sagte ich zu ihm: "Der ist der größe­re Mensch, der aus rechtem Verstehen vergibt. Seht, dieser Mann (der Richter) möchte vergeben. Er setzt sich dafür ein, aber man erlaubt es ihm nicht." So wohn­te ich der Gerichtsverhandlung bei. Der Richter war anwesend. Ich sagte zu ihm: "Lieber Freund, wenn Sie ihm irgendwie mildernde Umstände geben und ihn frei­lassen könnten, wären Sie ein großer Richter." Zuerst musste ich mich mit ihm unterhalten. "Lag bei irgendeinem Ge­richtshof schon eine Beschwerde vor?" Er antwortete: "Nein." Dann sagte er: "Nun gut, laßt ihn morgen frei." Und was geschah? Immer, wenn ich dort vorüber­gehe, sagen sie: "Hier, hier ist Er." Hört also auf das: Gnade wäscht alles weg – wirklich alles. Gnade braucht keinen Aus­gleich. Das war eine gute Frage.

Ich wurde einmal als Geschworener vor ein hohes Gericht berufen. Es ging um einen Fall, der so einfach lag wie kein anderer zuvor. Plötzlich kam mir in den Sinn: "Richte nicht, auf dass du nicht ge­richtet werdest." Ich bat den Richter: "Würden Sie mich freundlicherweise ge­hen lassen? Ich bin nicht dazu da, um zu richten." Er war auch ein Initiierter von Baba Sawan Singh.

Wer über einen anderen Menschen richtet, ist nie zufrieden. Er wird immer weitermachen. Es gibt bei Gericht niedere und höhere Instanzen, Bundesgerichts­höfe; vier, fünf Jahre zieht sich das hin. Bei einem Streit zwischen zwei Pre­digern sagt jeder von ihnen: "Ich habe das Recht, die Saat der Gerechtigkeit zu säen."

Versteht ihr jetzt, was Gnade bedeu­tet? Aus Gnade heraus wird euch allen vergeben. Die Avatare kennen keine Gna­de. Hafiz sagt, dass er schließlich verstand, dass das Königreich der Heiligen die Ver­gebung ist. Mit all dem, was ich euch ge­sagt habe, könnt ihr euch in Minuten, in kürzester Zeit von Anfang an über den Körper erheben – die, deren inneres Au­ge geöffnet ist, um das Licht Gottes zu sehen. Ist das nicht Gnade!

Habt eure Bestimmung vor Augen, verlasst euch auf unseren Meister, Er ist sehr barmherzig.

In meinem Leben geschah folgendes: Es war an einem Sonntagmorgen. Ich war in der Satsanghalle. Ich sollte einen Vor­trag halten. Und als ich gerade beginnen wollte, erfuhr ich, dass der Meister nach Lahore gekommen war. Nun war ich im Zwiespalt, was sollte ich tun? Sollte ich mit dem Satsang beginnen, den Vortrag halten oder zum Meister gehen? So ent­schied ich: "Ich habe Anweisungen" und kümmerte mich um Seinen Satsang. Das war um zwölf. Später, am Nachmittag, ging ich dann zu dem Platz, an dem Er sein sollte, aber Er war schon nach Beas zurückgefahren. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich richtig gehandelt hat­te oder falsch, und so fuhr ich mit dem Zug hin und kam dort um drei oder vier Uhr an. Ich erzählte Ihm alles und sag­te Ihm, dass ich nicht wüßte, ob ich es rich­tig oder falsch gemacht hätte. Er sagte: "Ich freue mich, dass du deine Pflicht ge­tan hast. Ich gab dir die Anweisung da­zu." Die Meister haben Achtung davor, wenn man eine Pflicht tut, ohne zu über­legen, ob man etwas dafür bekommt oder nicht. Ich hatte eine kleine Tochter, die krank war. Sie starb in der Nacht. Ich hüll­te sie in ein Tuch. Am nächsten Morgen musste ich einen Satsang halten. So bat ich jemanden, auf den Körper aufzupas­sen und nicht viel darüber zu sprechen. Die Leute sagten: "Was für ein Mensch ist er?" Die Wahrheit besteht, es entsprach den Lehren der Meister. Sein Wort soll­te Gesetz sein. Es ist die Wahrheit der Bi­bel, Meisters Koran (Gesetzbuch). "Wer sich daran hält, sieht in mir sein Schick­sal." Versteht ihr jetzt, was mit Gnade ge­meint ist?

Es gibt so vieles. Einmal erhielt ich ein Telegramm von meiner Frau:"Dein Sohn ist ernsthaft erkrankt, komm sofort." Auf dem Weg traf ich einen anderen Satsangi, der ganz durcheinander war. "Was ist mit dir?" Er antwortete: "Mein Sohn ist krank."– "Hast du ihn behandeln lassen?" – "Ich habe kein Geld." Was machte ich? Ich fuhr zu dem Sohn des Mannes, rief den Arzt, besorgte Medizin für ihn, blieb zwei, drei Stunden dort und half ihm bei seinem Sohn. Das bedeutet: "Liebe dei­nen Nächsten wie dich selbst."

Ein Initiierter ist noch mehr als nur ein Nächster, nicht wahr? Es ist etwas, das gelebt werden muss. Darüber zu reden ist eine Sache, es zu tun etwas anderes. Dar­an erkennen wir Liebe. Nun werden wir finden, dass das gegenseitig ist. So könn­te man sagen: "Oh Herr, wir danken Dir, denn Du hast das Geheimnis vor den Weltklugen verborgen und es den klei­nen Kindern offenbart." In ihnen ist kein Übelwollen, kein eigenes Handeln, kein Gedanke an Ausgleich oder Gegenlei­stung.

Ja, noch etwas? Das war eine gute Fra­ge. Wenn wir nur so viel darüber lernen würden. Gut, Gott segne euch. Seid fröh­lich.

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