Das spirituelle Wissen ist eine reguläre Wissenschaft. So wie zwei und zwei ganz eindeutig vier ergibt, so ist auch dieses spirituelle Wissen klar und eindeutig und lässt keinen Raum für Abänderungen.

Sant Kirpal Singh

Er ist es, der uns schickt, Er ist es der gibt - 21. Juli 1974

Von Sant Kirpal Singh, Sawan Ashram, Delhi, Indien

 

Kirpal-Singh-Sawan-Ashram-1974Sant Kirpal Singh antwortet auf die Frage eines Schülers: Der Zeitpunkt wird kommen. Versuchen Sie zuerst, die Theorie ganz genau zu verstehen. Ich weiß, dass Sie strenger Vegetarier sind und alle Arten von Rauschmitteln meiden. Sie sind ein Swami, da ist das natürlich. Befassen Sie sich mit dem Buch "Die Krone des Le­bens"?

Swami: Oh, ja.

Sant Kirpal Singh: Versuchen Sie, die Theorie ganz genau zu verstehen. Dann wird sich alles andere ergeben. Bitte, hat irgend jemand eine Frage? Sitzt nicht stumm und sprachlos da, sagt etwas! Ja, bitte!

Schüler: Ich habe eine Frage, die schon gestern gestellt wurde, doch ich konnte die Antwort nicht verstehen. Es ging darum, ob die strahlende Form des Meisters immer leuchtend erscheint.

Sant Kirpal Singh: Sie erinnern sich, dass ich ge­stern über diese Frage sprach? Zunächst einmal sollte man nichts visualisieren (sich nichts bildlich vorstellen). Gott ist der, der von selbst kommt. Zweitens ha­ben manchmal Menschen, die krank vor Liebe sind, eine Vision einer Form, die nicht so leuchtend sein mag. Aber es gibt einen Prüfstein, die Echtheit dieser Er­scheinung zu prüfen, indem ihr die ge­ladenen Worte, die euch gegeben wurden, wiederholt. Wenn ihr diese Worte wie­derholt und die Gestalt vor euch stehen­bleibt, dann ist es in Ordnung. Wenn ihr dann eure ganze Aufmerksamkeit darauf richtet, wird die Gestalt strahlend hell. Ist es jetzt klar? Gibt es eine weitere Frage? Ja, bitte!

Schüler: Meister, wie kann Gehorsam größer sein als Liebe?

Sant Kirpal Singh: Es gibt eine Art von Gehor­sam, die auf Zwang beruht, d.h. man wird gezwungen, etwas zu tun. Wenn man es nicht tut, kann dieser Ungehorsam die To­desstrafe nach sich ziehen. Die andere Art von Gehorsam ist, etwas aus Liebe zu tun – ohne Zwang, ohne darum gebeten zu werden, ganz liebevoll.

Es gibt also zwei Arten von Gehorsam. Einmal durch Zwang – man muss es tun und hat Angst, dass eine Strafe folgt, wenn man es nicht tut. An eine Pflicht ge­bunden zu sein, bedeutet nicht Zwang. Es ist kein Zwang. Ich will euch ein Beispiel erzählen von einem Professor der Na­turwissenschaften, den ich 1912 kennen lernte. Er lebte ganz alleine in seinem Haus – niemand hatte ohne seine Er­laubnis dort Zutritt. Mir hatte er gestat­tet, jederzeit zu kommen und zu gehen. Er mochte mich. Er war Mohammeda­ner. Wenn ich kam, sah ich, wie er bete­te. Mohammedaner beten vier– oder fünf­mal täglich. Dabei verneigen sie sich, stehen auf und verneigen sich wieder. Er blieb jedoch stundenlang sitzen. Eines Ta­ges fragte ich ihn: „Lieber Freund, nor­malerweise umfasst das Beten vier oder fünf Gebetsübungen, du jedoch betest stundenlang." Er antwortete: "Ja, zwei Stunden, vier oder fünf Gebetsübungen sind vorgeschrieben, was darüber hin­ausgeht, tue ich, um Seine Liebe zu ge­winnen."

Versteht ihr? Der Rest ist freiwillig. Das Wort 'Pflicht' heißt auch gebunden zu sein – aus Liebe.

Wenn die Meister die physische Ebe­ne verlassen, halten sie einen Test (für ih­re Schüler) ab. Sie haben geheimnisvol­le Wege, seht ihr? Jeder Meister hat sei­ne eigene Art und Weise. Der dritte Guru der Sikhs, Guru Amardas, ordnete an, Erde für den Bau von Kochstellen auf­zuschütten. Er sagte: "Holt das Erdreich von dort und schüttet die Kochstellen auf."

Natürlich ist es so, dass die Anwei­sungen des Meisters von jedem befolgt werden, und so begannen sie mit dem Bau. Nach einiger Zeit waren sie fertig. Der Meister sagte: "Oh, diese Kochstel­len sind nicht gut. Reißt sie wieder ab." Sie begannen von neuem, die Kochstel­len aufzubauen, worauf der Meister sag­te: "Diese Erde ist nicht geeignet, holt Er­de von dort." Die Kochstellen wurden eingeebnet, und sie brachten Erdreich von einer anderen Stelle und nahmen die Ar­beit wieder auf. So ging es einige Tage lang. Schließlich erklärte Guru Amar Das: "Dieser Platz hier ist nicht gut – lasst uns an einen anderen Ort gehen."

Versteht ihr? Wisst ihr, wie viele Schüler ihrer Pflicht treu blieben? Einer, zwei, drei, vier, fünfzehn? Es wurden all­mählich immer weniger. An dem ande­ren Ort begann Er auf die gleiche Wei­se: "Die Erde hier ist nicht geeignet, lasst uns in die Berge gehen." Einer nach dem anderen verschwand, alle gingen, bis auf einen. Dieser wurde (später) Guru Ramdas genannt. Guru Amar Das war damals über hundert Jahre alt, und die Leute sag­ten zu Ramdas: "Schau, er ist ein alter Mann. Mit seinem Kopf ist etwas nicht in Ordnung. Was ist Gutes dabei, Koch­stellen zu errichten und sie wieder ein­zureißen, ohne jeden Sinn und Zweck?" Ramdas weinte und vergoss Tränen: "Meister weiß alles. Wenn Er mir sagt, dass ich das mein ganzes Leben lang tun soll, was will ich mehr? Mir geht es nur darum, sein Wohlgefallen zu gewinnen." Er wurde der Nachfolger von Guru Amar Das. So hat jeder (Meister) seine eigene, geheimnisvolle Art und Weise. (Das war eben seine Art.) Anordnungen sind An­ordnungen. (Ramdas sagte:) "Ihr sagt, ich solle aufhören, aber für mich ist das mei­ne Meditation, mein selbstloser Dienst, mein ein und alles, meine Anbetung."

Jeder bekommt dasselbe Startkapital. Es ist das Maß der Hingabe, das den Unterschied ausmacht. Selbst durch das gesprochene Wort können wir nur ein Drittel der Lehre erfassen, zwei weitere Drittel durch Hingabe. Es ist dasselbe, was sich widerspiegelt. Ihr braucht dafür keine Anstrengungen zu machen. Das Kennzeichen eines solchen Menschen ist, dass er niemals den Glauben an seinen Meister verliert – mag der Meister schlafen oder etwas anderes tun. Selbst wenn Er tot ist, würde er niemals etwas Un­moralisches tun oder dergleichen. Was auch immer Er sagt, hat einen Sinn. Ein­ebnen, wieder aufbauen... Es ist das Maß der Hingabe, das vor Gott den Unter­schied ausmacht. Aus Tausenden erwählt Er einen. Seht ihr? Er gab etwas, das mit Verantwortung getan werden musste: ein Gesetz. Er ist nicht einmal denen böse ge­sinnt, die Ihn töten wollen.

Alle Schüler einer Klasse erhalten die­selben Lektionen. Einige bestehen glän­zend, andere bleiben zurück und lassen sich von anderen um Klassen überholen. In meiner Schulzeit war es üblich, dass die Schüler angehalten wurden, ihre Lektio­nen auf den nächsten Tag vorzubereiten, besonders die schwierigen Aufgaben. Vielleicht ist es im Westen ähnlich. Ein Mitschüler, der immer mit mir im Wett­streit war, hatte eines Tages die Aufga­ben nicht vorbereitet. Der Lehrer begann, ihn deshalb zu tadeln. Der Mitschüler ent­gegnete: "Warum? Es ist doch sonderbar – unter uns ist einer (Kirpal Singh), der nichts mitschreibt und niemals eine Un­terrichtsstunde vorbereitet, und Sie sagen nie etwas. Warum tadeln Sie ihn nicht? Es ist heute das erste Mal, dass ich mich nicht vorbereitet habe, und Sie machen mir Vorwürfe." Der Lehrer antwortete: "Schau her – Er weiß selbst das, was du nicht einmal in den Schulbüchern finden kannst." Das ist Kompetenz. Manchmal überließ mir der Lehrer die Klasse: "Komm, achte auf die Klasse." Er über­ließ mir die Klasse, die ich selbst be­suchte. Das ist Hingabe, seht ihr.

Zum Meister zu kommen und nur zu beobachten, wo Er sitzt, wo Er isst, wo­hin Er schaut, warum Er sich hier kratzt, und das dann anderen zu erzählen, ist, wie wenn man durch rauchgeschwärzte Bril­lengläser schaut. Er steht jedoch weit über all dem. Es gibt nur wenige – versteht ihr?

Ich kann euch dazu das Beispiel eines ungebildeten Mannes erzählen, der 30 Jahre lang bei seinem Meister lebte. Er wohnte im Haus seines Meisters und diente ihm und wusste nicht, was sich wo befand. Jeden Tag ging er zu seinem Mei­ster, wusste aber nicht, wo die verschie­denen Sachen lagen. Eines Tages bat ihn der Meister, etwas zu holen, das in einer Nische aufbewahrt wurde. Der Mann wusste nicht einmal, wo diese Nische im Haus war, obwohl er dort wohnte. Versteht ihr? Diejenigen, die auf diese Art zum Mei­ster kommen, kommen allein Seinetwe­gen – sie leben für den Meister und ster­ben für den Meister. Das ist Hingabe.

Spiritualität ist etwas so Bedeutendes, das keinem gegeben werden kann, ohne dass es eine Auswirkung hätte. Ihr seid al­le hier – jeder mit seinem Maß an Hin­gabe, und dementsprechend wird er et­was erhalten. Er (Meister) gibt jedem das­selbe, und es liegt an uns, dies zu erfas­sen und unserer Empfänglichkeit ent­sprechend daran teilzuhaben. Das Wort "Chela" bedeutet: Ergebener des Vaters. Er ist jemand, dem die Kleider des Mei­sters passen. Es geht darum, danach zu leben, nicht nur davon zu sprechen, sich dazu zu bekennen oder etwas vorzu­spielen. Nein. Ramakrishna konnte man manchmal in liebevollem Denken an Vivekananda Tränen vergießen sehen. War­um weinte er?

Als ich im Dienst war, besuchte ich Baba Sawan Singh gewöhnlich zweimal in der Woche. Wenn ich nun eine Woche lang nicht kam, fragte Er jeden: "Wo ist Er (Kirpal Singh)?" Dann nahm Er das Auto und kam zu meiner Dienststelle, die über 40 Meilen entfernt war. Seht, das ist Liebe – von Herz zu Herz. So entwickelt es sich. Dazu ist kein äußeres Gehabe not­wendig. Ein solcher Mensch wird Gurmukh genannt. Er wird zum Sprachrohr des Meisters. Stellt dieselbe Frage dem Meister und ihm, und beide werden mit denselben Worten antworten.

Es kommen viele Menschen zum Mei­ster. Ihre Entwicklung hängt von der Hin­gabe ab, vom Ausmaß der Hingabe je­des einzelnen. Liebt ihr jemanden auf weltliche Weise, denkt ihr Tag und Nacht immer an ihn oder an sie. Es ist dassel­be Stechen im Herzen, versteht ihr? Wenn ihr unter Hunderten von Menschen sitzt, wo ist dann eure Aufmerksamkeit? (Bei dem, den ihr liebt.) Ihr seid dann ganz al­leine. Wenn Emmerson alleine sein woll­te, ging er in ein Gasthaus. Dort kümmert sich niemand um euch, und ihr braucht euch um niemanden zu kümmern. Ihr könnt Wunderbares bewirken, wenn ihr Kontrolle über euch erlangt. Archimedes fand das Gesetz der Schwerkraft. Der Ar­me suchte nach dem zentralen Punkt, von dem aus er die Welt aus den Angeln he­ben könnte. Aber er konnte das Zentrum nicht finden, das in euch liegt. Weil die Meister das Zentrum im Innern gefunden haben, können sie Hunderten einen Auf­trieb geben, und dann erhalten Tausen­de etwas durch die Ausstrahlung. Das ein­zige, was benötigt wird, ist: "Seid wahr zu euch selbst" – ein Satz, den ich im­mer wieder verwende. Das ist alles.

Zu Lebzeiten meines Meisters waren viele darauf aus, Sein Nachfolger zu wer­den. Man zwang Ihn sogar zu einer Un­terschrift: "Das ist der Nachfolger..." Ver­steht ihr? Sie hatten alles vorbereitet. Es war ein Rechtsanwalt – später starb er. Es gibt noch viele andere. Meister ver­wies die Menschen gewöhnlich an mich. Sie staunten: "Wie? Wie kann das sein?" So rief Baba Sawan Singh mich eines Ta­ges zu sich und sagte: "Ich habe alle Auf­gaben verteilt – bis auf die Initiation. Ich übertrage Dir diese Aufgabe."

Kein Sohn möchte, dass sein Vater lei­det. Ich begann zu weinen. Man wird aus­erwählt (die Arbeit des Meisters zu tun), es ist keine Abstimmung. Keine äußeren Eigenschaften können einem helfen, sich dafür zu qualifizieren. Es ist die Le­bensweise, die Hingabe. Er hat verbor­gene Wege, euch zu prüfen, versteht ihr? Jeder Meister hat seine eigene Art. So ist alles Seine Gnade, die wirkt.

Eines Tages taten sie sich (in Beas) zu­sammen und sagten mir, (dass ich gehen sollte). "Gut, ich kann gehen." Ich habe kein Eigentum im Satsang. Seht ihr? Ich kann gehen. Jederzeit kann Er euch (die Arbeit des Meisters) zuteilen, und ihr könnt sie ausführen; die Vorbereitungen sind getroffen. Während der Meister ein Mensch ist wie ihr, ist Er mit dem Her­zen an nichts gebunden.

Kabir gibt ein Kriterium, woran man jemanden erkennen kann, der im wirkli­chen Sinn dem Meister begegnet ist: Ihr verliert alle Verhaftungen – Verhaftungen an eure Frau, die Kinder und an andere. Eure Pflicht ihnen gegenüber zu erfüllen ist etwas anderes. Jeder hat Schulden aus der Vergangenheit zu begleichen. Die Verhaftung an den Körper müsst ihr auch aufgeben, auch die Verhaftung an Ruhm und Ehre. (Ihr solltet die Einstellung ha­ben:) "Gut, Meister, ich bin zu Deinen Füßen gekommen, dies alles gehört jetzt Dir. Was andere über mich erzählen, sei es richtig oder falsch, spielt keine Rol­le. Ich bin nichts." Das ist es. Wie wer­det ihr euch entscheiden, wenn ihr euch täg­lich über das Körperbewusstsein erhebt? Nehmt euer Kreuz täglich auf euch! Nur dann wird es möglich sein, nicht auf an­dere Weise. Bloßes Hörensagen, äußere Dinge werden euch nicht dabei helfen. Könnt ihr einen Sohn zu Hause zurück­lassen, wenn er im Sterben liegt, um ei­ner Aufgabe nachzukommen, die der Meister euch gegeben hat. Könnt ihr das? Das ist ein Merkmal.

Das zweite ist, dass das physische Gemüt, das Für und Wider des Gemüts oder irgendein unvorhergesehenes Er­eignis ihn nicht berühren, er wird von nichts betroffen. Und wenn Bomben fal­len, sagt er: "Nun gut, lasst uns gehen; Er wirkt." Er weiß, wie man den Körper täg­lich verlässt. Er lässt sich von niemandem beeinflussen. Er lässt sich von den Ein­gebungen des Gemüts nicht fehlleiten. Die äußeren Sinne beherrschen ihn nicht, er kann sie nach seinem Willen und Wohl­gefallen benützen. Es ist eine sehr ein­fache Methode. Wenn ihr diese drei Merkmale bei jemandem seht, wisst ihr, dass er Gott begegnet ist. Christus sagte: "Wer das Kreuz nicht täglich auf sich nimmt, ist nicht mein Schüler." – "Ich bin gekommen, um die Töchter von ihren Müttern zu trennen."

Lest die Bibel! Christus sagte: "Ich bin mit einem Schwert gekommen." Versteht ihr? Löst alle inneren Verhaftungen – lie­bevoll, ohne zu verletzen. Manchmal ist ein Baum innen von Insekten ganz aus­gehöhlt. Von außen sieht man den Stamm; der Baum scheint ganz in Ordnung zu sein, aber innen ist er hohl. Innerlich habt ihr keine Verhaftungen mehr. Seit 1948 und schon vorher, besaß ich bis zum heu­tigen Tage niemals persönliches Eigen­tum im Satsang. Das alles gehört nicht mir, seht ihr?

Versteht ihr, was Schülerschaft be­deutet? Alle haben die gleichen geladenen Namen erhalten, die gleiche Aufmerk­samkeit. Der Unterschied liegt nur im in­neren Sehen. Einer, der das Zentrum in sich selbst gefunden hat, bewegt die Welt entsprechend der Stärke seiner Aus­strahlung. Fragen? Ja, bitte!

Swami: Ich möchte sagen, dass ich das erste Mal Spiritualität und Yoga zu verste­hen beginne, nachdem ich 25 Jahre Yo­ga und Philosophie studiert habe.

Sant Kirpal Singh: Das liegt an Ihrem klaren Ver­stand, das ist alles, was ich sagen kann.

Swami: Ich möchte Euch fragen, ob ich initiiert werden kann.

Sant Kirpal Singh: Sehen Sie, der Vater möch­te, dass jedes Seiner Kinder zu Ihm kommt. Er ist es, der jemanden schickt, Er ist es, der (ihm) etwas gibt. Wir brau­chen uns keine Sorgen zu machen – Er trifft alle Vorkehrungen. Sie sind gestern zu mir gekommen, ganz neu, zum ersten Mal. Wir hatten Sie nie zuvor gesehen. Sie wollten gerne hier bleiben, und wir erlaubten es Ihnen. So ist Er es, der je­manden schickt, und Er ist es, der ihm etwas gibt. Er ist in uns. Es ist alles Sei­ne Arbeit, sehen Sie. Es hängt nur davon ab, ob Sie dieses Verlangen in sich ha­ben. Es ist alles Seine Gnade und Ihr kla­rer Verstand, würde ich sagen.

Ich sah meinen Meister sieben Jahre, bevor ich Ihn physisch traf. Damals war der mesopotamische Krieg. Ich ging mit Ihm im Innern an verschiedene Orte. Der Meister oder das fleischgewordene Wort führt euch als Mensch. Er selbst ist auch ein Mensch. Spiritualität erhält man nicht durch eine Abstimmung. Es ist Seine Wahl, Seine Auswahl. Er ist ein sehr gut­er Beobachter. Er ist immer bei uns und beobachtet selbst die leiseste Neigung un­seres Gemüts. Die Meister vergleichen den mühsamen Weg der Schülerschaft mit dem Gehen auf des Messers Schnei­de. Es ist sehr schwierig, sehr subtil.

Bullen Shah war ein Sayyid, ähnlich den Brahmanen bei den Hindus. Er gehörte zur höchsten Kaste. Als er von seinem Guru, Shah Inayat, initiiert wur­de, freuten sich die anderen Schüler: "Oh, er ist ein Brahmane, und jetzt ist er un­ser Bruder." Bullen Shah fürchtete sich jedoch, Schüler von Shah Inayat genannt zu werden, da er dieser hohen Kaste an­gehörte. Eines Tages wies der Meister die Schüler an: "Geht tanzend und singend zu ihm und ruft: Bulleh Shah ist unser Mitbruder – wir sind Schüler desselben Meisters!" Bulleh Shah verbarg sich in seinem Haus. Als die Schüler vor sein Haus kamen, riefen sie: "Bruder! Unser Bruder ist da drinnen." Der Sayyid, An­gehöriger der höchsten Kaste, hielt sich versteckt. Die Leute fragten ihn: "Sind das deine Brüder?" Er entgegnete: "Nein, das sind nicht meine Brüder." So kehrten die Schüler wieder zurück. Der Meister fragte sie: "Was geschah, als ihr zu ihm kamt?" – "Er sagte, er sei nicht unser Bru­der." – "Gut, dann werde ich sein Feld nicht mehr bewässern."

Seht ihr, die Saat, alles, was Bulleh Shah erhalten hatte, war verloren. Ver­steht ihr – es ist Sein Geschenk. Was kann man dann noch machen? Wenn der Mei­ster einmal die Augen von Seinem Schüler abwendet, dann mag Gott ihm helfen.

Shah Inayat hörte gern Gesang, das Singen von Hymnen. Eine Tänzerin be­suchte ihn jeden Freitag, um zu tanzen und religiöse Lieder zu singen. Was konn­te Bulleh Shah tun – wie konnte er sei­nem Meister gefallen? Niemand würde es wagen, beim Meister für ihn Für­sprache einzulegen. So verließ er Haus und Hof und wurde ein Diener im Haus der Tänzerin, half in jeder Hinsicht, tat alle erdenklichen Arten von Dienst und lernte dafür Singen und Tanzen. Was denkt ihr, wie viele Jahre er dafür ge­braucht haben mag? Als er es vollkom­men beherrschte, bat er sie eines Freitags: "Würdest du mir bitte deine Kleider über­lassen? Ich werde sie tragen und an dei­ner Stelle gehen." Da sie einverstanden war, ging er zu Shah Inayat. Bulleh Shah trat in der Kleidung dieser Sängerin auf. Die Ausdrucksweise eines Liebenden ist anders, seht ihr? Jeder Blick, jede Bewegung, jede Geste ist voller Berau­schung. Inayat Shah stand auf und um­armte ihn. (Meister ahmt die Schüler von Inayat Shah nach und flüstert) "Was? Seht ihr den Meister? Die Katze ist aus dem Sack!" Inayat Shah sprach zu Bulleh Shah: "Bulleh Shah, lege den Schleier ab." – "Ich bin nicht Bulleh Shah, ich bin einer, der vergessen hat und um Verge­bung bittet." Da war Inayat Shah voller Freude.

Es ist also sehr schwierig, sehr sub­til. Wer opfert schon alles für den Mei­ster aus tiefstem Herzen, seinen Namen und seinen Ruf, alles?

In meinem Dorf war ich der einzige Schüler des Meisters. Das ganze Dorf war gegen mich und hinter mir her. Aber sie konnten mich nicht umstimmen. Manch­mal fragten mich bis zu zwei-, dreitau­send Menschen (über den Pfad), was das sei. Ich erklärte ihnen: "Gut, wenn ihr über diese Dinge diskutieren wollt, dann wählt unter euch einige als Sprecher – zwei, vier, sechs oder mehr gebildete Leu­te, wir können dann darüber sprechen und zu einem Ergebnis kommen." Sie stimm­ten zu und legten für spät abends einen Zeitpunkt fest. Um 22 Uhr war es finstere Nacht. Ihr wisst, die Dörfer hier sind sehr dunkel, ohne Beleuchtung. Ein Mann schwor: "Heute Nacht werde ich ihn tö­ten." Ich ging durch die dunklen Winkel, getötet wurde ich nicht, aber er versuchte es. Ich ging zu der Versammlung, und wir sprachen miteinander. Als ich mit einem der Sprecher redete, wurde er überzeugt, und so waren die Leute auch hinter ihm her. Als dieser Mann (der Meister töten wollte) nach Lahore kam und mir auf der Straße begegnete, grüßte ich ihn und bat ihn in mein Haus. Ich servierte ihm Es­sen, und er begann zu weinen: "Ich bin derjenige, der geschworen hatte, Euch zu töten." (Die Leute waren inzwischen ge­gen ihn. Das ist keine Theorie; es gibt keine Notwendigkeit, es weiter zu er­klären.) Wenn man am Anfang über den Weg im Innern spricht, ist man immer voller Begeisterung.

Jetzt haben die Menschen natürlich zu verstehen begonnen. Damals gab es übe­rall große Opposition. Der Weg des Schülers ist also sehr fein und subtil. Ich kann nur sagen – Gott segne euch alle. Man mag euch töten wollen, ohne dass ihr ein Wort darüber verliert. Ihm zu folgen steht über allem. Über allem.

(Lange Pause)

Oh, mein Gott ... das ist alles eine ganz neue Welt. Ihr könnt euch das nicht einmal im Traum vor­stellen. Wie könnt ihr im Traum daran denken? Ein Mann versucht, euch zu tö­ten, und ihr trefft euch mit ihm. Christus drückte sich in dieser Hinsicht sehr deut­lich aus: "Ich bin mit einem Schwert ge­kommen." Ich denke, wir haben keine Wertschätzung für Seine Worte. Er sag­te auch: "Diejenigen, die ihre Brüder und andere mehr lieben als mich, sind nicht meine Schüler." Ich zitiere Seine Worte. Einmal blätterte ich in der Bibel und fand bestimmte Aussprüche, denn jedem ge­schieht dasselbe. Er möchte nur Bindung an Ihn, an Ihn – an Ihn in Ihm (Gott im Meister). Das steht über allem.

(Lange Pause)

Ich habe es mir niemals träumen las­sen, dass mir diese Aufgabe (die Arbeit fortzuführen) übertragen würde. Niemals. Ich war überrascht. Aber Er ist es, der für mich die Arbeit fortführt. Ich bin nur ein Sün­denbock, würde ich sagen. (Meister lacht.) Ein Sündenbock. Dies ist eine sehr große Verantwortung. Ich sage gewöhn­lich: "Gott, verschone die Menschen vor dieser so schweren Aufgabe." Wir folgen dem Pfad der Schülerschaft, seht ihr. Ei­nige Einblicke, ein paar Strahlen des Lichts (sind da). Von anderen kann das nicht beurteilt werden – ihr selbst könnt es beurteilen. Selbst wenn ihr denkt, dass ihr es richtig macht, dass ihr fortschrei­tet, steht das im Weg. Es ist alles Seine Gnade, Sein Verdienst; aller Dank geht zu Ihm.

Bei meinem diamantenen Jubiläum, das hier gefeiert wurde, waren Regie­rungsvertreter verschiedensten Ranges und die Oberhäupter der Religions­gemeinschaften hier. Sie kamen, einer nach dem anderen, und erwiesen mir so­viel Ehre. Ich hörte ihnen zu, und als ich an der Reihe war zu sprechen, sagte ich: "Ich habe den Worten, die jeder meiner Freunde über mich sprach, sehr auf­merksam zugehört. Ich sage euch ehrlich: Ich habe diese Worte an Ihn weiterge­geben, dem all das zu verdanken ist." Es ist Seine Arbeit, seht ihr?

Noch Fragen? Irgendwelche Fragen? Ja, bitte.

Schüler: Meister, wird jeder letztend­lich einen vollkommenen Meister finden und nach Hause zurückgehen?

Sant Kirpal Singh: Sicherlich. Wenn das Kind im Mutterleib ist, trifft die Meisterkraft alle Vorkehrungen. Gott wird dafür sorgen, dass es die Milch erhält. All die Kinder, die vor Tausenden, vor Hunderten oder vor wenigen Jahren zur Welt kamen oder die jetzt geboren werden, und alle, die noch kommen – denkt ihr nicht, dass Gott bei der Mutter alle Vorbereitungen für das heranwachsende Kind trifft? Er ist im Embryo. Er kümmert sich um jeden. Wir können uns nicht einmal im Traum vor­stellen, wie groß diese Verantwortung ist. Offen gesagt, wir schätzen Ihn nur nach Seinen intellektuellen Fähigkeiten, nach diesem und jenem ein. Das sind alles äußere Dinge ....

Alles Unbegrenzte funktioniert sehr gut. Strebt danach. Wir müssen es errei­chen. Wir sollten uns in jeder Hinsicht entwickeln, physisch, intellektuell und spirituell. Aber intellektuelle Fähigkei­ten allein werden euch nirgendwo hin­bringen. Die Meister sagen, dass dieje­nigen, die intellektuell sind, wie unwis­sende Kinder für sie sind. Es ist eine Sa­che des Sehens und Hörens, und dabei sind keine Schlussfolgerungen zu ziehen. Nun, Swami, wie sieht jetzt Ihr weiteres Programm aus? Was haben Sie vor?

Swami: Ich denke, ich werde bei Ih­nen bleiben...

Sant Kirpal Singh: Die Gespräche hier sind Herz-zu-Herz-Gespräche. Sie wissen so­viel. Sie sind ein Swami. So viele Jahre haben Sie sich für die verschiedenen Yo­gapraktiken eingesetzt. Das (hier) ist die Frucht allen Wissens – auch des äußeren Wissens.

Swami: Das Ziel jedes einzelnen Men­schen ist zu erkennen, wer er ist.

Sant Kirpal Singh: Ja, richtig, nur im menschli­chen Körper kann er dies.

Swami: Wenn er ein starkes Verlangen hat, wird Gott ihn zum Richtigen führen.

Sant Kirpal Singh: Sicher, das ist richtig. Selbst wenn nur ein Mensch da ist, wird Er ihn zum Vater bringen. Das ist der Grund, warum ich sage: "Er ist es, der schickt, und Er ist es, der gibt." Es ist Einer, der schickt, und es ist derselbe Eine, der dem (etwas) gibt, den Er schickt.

Swami: Ja. (Beide lachen.)

Sant Kirpal Singh: Christus sagte, dass Er noch nach vielen Schafen zu sehen hätte. Als ich 1955 zum ersten Mal Indien verließ, versammelten sich alle. Ich sagte: "Ich muss gehen." Einige schluchzten laut, an­dere weinten still, und andere baten mich inständig, zu bleiben. Ich sagte ihnen: "Ich muss gehen, ich habe viele Dinge zu tun." Ein Mann sang: "Wenn Du nicht bleiben kannst, dann ist es besser Du gehst" (Meister lacht), und dann vergoss er Tränen.

Auf dieser Reise wurde mir vor mei­ner Rückkehr (nach Indien) eine Tasche voller Dollars angeboten. Ich nahm sie nicht an. Der Mann sagte: "Lieber Freund, es wäre viel besser gewesen, Ihr hättet die Dollars genommen. So nehmt Ihr unsere Herzen mit."

Nun gut – Gott segne euch. Geht frohen Herzens!

 


 

 

 

 

Dieser wurde (später) Guru Ramdas genannt. Guru Amar Das war damals über hundert Jahre alt, und die Leute sag­ten zu Ramdas: "Schau, er ist ein alter Mann. Mit seinem Kopf ist etwas nicht in Ordnung. Was ist Gutes dabei, Koch­stellen zu errichten und sie wieder ein­zureißen, ohne jeden Sinn und Zweck?" Ramdas weinte und vergoss Tränen: "Meister weiß alles. Wenn Er mir sagt, dass ich das mein ganzes Leben lang tun soll, was will ich mehr? Mir geht es nur darum, sein Wohlgefallen zu gewinnen." Er wurde der Nachfolger von Guru Amar Das. So hat jeder (Meister) seine eigene, geheimnisvolle Art und Weise. (Das war eben seine Art.) Anordnungen sind An­ordnungen. (Ramdas sagte:) "Ihr sagt, ich solle aufhören, aber für mich ist das mei­ne Meditation, mein selbstloser Dienst, mein ein und alles, meine Anbetung."

Jeder bekommt dasselbe Startkapital. Es ist das Maß der Hingabe, das den Unterschied ausmacht. Selbst durch das gesprochene Wort können wir nur ein Drittel der Lehre erfassen, zwei weitere Drittel durch Hingabe. Es ist dasselbe, was sich widerspiegelt. Ihr braucht dafür keine Anstrengungen zu machen. Das Kennzeichen eines solchen Menschen ist, dass er niemals den Glauben an seinen Meister verliert – mag der Meister schlafen oder etwas anderes tun. Selbst wenn Er tot ist, würde er niemals etwas Un­moralisches tun oder dergleichen. Was auch immer Er sagt, hat einen Sinn. Ein­ebnen, wieder aufbauen... Es ist das Maß der Hingabe, das vor Gott den Unter­schied ausmacht. Aus Tausenden erwählt Er einen. Seht ihr? Er gab etwas, das mit Verantwortung getan werden musste: ein Gesetz. Er ist nicht einmal denen böse ge­sinnt, die Ihn töten wollen.